Verein: Presse
Die Hellersdorfer, Februar 2004
Schöne Lady entfaltet ihre Gene
Schloss Biesdorf weitaus attraktiver als auf den ersten Blick vermutet
Mal ehrlich: Wähnen Sie sich in einem Schloss, einem herrschaftlichen Sitz, wenn Sie die Villa in Biesdorf im gleichnamigen Park aufsuchen? Von der einst prachtvollen Innengestaltung zum Beispiel, vom eleganten Lichthof mit umlaufender Galerie diese umfasst von kunstvoll schmiedeeisernen Gittern ist rein gar nichts mehr zu sehen. Gravierende bautechnische Mängel wie Feuchte und Versalzung im Kellerbereich, Dachschäden, Korrosionszerstörungen an der Turmkrone, eine seit Jahrzehnten stümperhafte, "unwürdige" Regenwasserabführung machen das Schloss Biesdorf zum umsorgten Kind all derer, denen die Restaurierung am Herzen liegt.
Mein Tipp: Schauen Sie jedes Jahr im Sommer einmal vorbei und beobachten Sie die langsame aber stetige positive Veränderung. Im letzen Mai erstand wieder neu die imposante 140-Quadratmeter-Säulenvorhalle, auch Portikus genannt. Im Grundaufbau ähnelt sie altgriechischen Tempelanlagen. Sechs Säulen als runde Elemente, sechs Pfeiler als eckige Träger und vier Pilaster als halbe Säulen an der Fassade machen den Haupteingang zum wahrlich herrschaftlichen Auftritt. Der Eingang eines Gebäudes ist bekanntlich die Visitenkarte des Gebäudes.
Beim nächsten Besuch im Sommer, schon im kommenden Mai wird das Schloss Biesdorf an der Ostseite um seine schön geschwungene Gartentreppe wieder neu bereichert sein - so, wie sie einst die Familie Siemens, Vorfahren aus dem Clan des heutigen Großkonzerns, anbauen ließ.
Und so soll es weitergehen mit der Entwicklung des Sorgenkindes zur künftig wohlproportionierten, anmutigsten Lady unter den Marzahn-Hellersdorfer Bauten, wenn mehr und mehr sichtbar wird, was in ihren Genen steckt. Alles soll wieder leicht und elegant sein, klar und klassizistisch in der Gliederung, meisterlich im Detail.
So wie wir heute italienischen Wein trinken, in die Toskana reisen und Terrakotta-Farben bevorzugen, ist auch das Schloss Biesdorf entsprechend dem Zeitgeist der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an italienischen Vorbildern orientiert. Baumeister wie Schinkel, Stüler und Persius hatten einen Villenstil entwickelt, der ein malerisches Wechselspiel zwischen Architektur und Landschaft einbezieht. In diesem Fall steht das Schloss Biesdorf im Park Biesdorf.
Auf einer Geländeerhebung errichtet, wo vor Urzeiten eine germanische Kultstätte existiert haben soll, ist das Schlösschen Hauptattraktion vor der Kulisse des Parks.
Die wie Fachleute sie nennen italienisierende Turmvilla unterscheidet sich von ihresgleichen im Berlin-Brandenburger Raum vor allem in der Gestaltung des Turms. Während die bauliche Überragung anderswo fast immer eckig ist und somit mehr an eine Burg erinnert als an leichtes südliches Flair, glänzt "unser" Turm mit einer geschwungenen Kuppel, die von sinnlich wirkenden Säulen getragen wird.
Viel ist zu tun, um die Schokoladenseiten denkmalgerecht wieder zur Geltung zu bringen: Die Restaurierung derzeit an der Ostseite steht ebenso auf dem Plan wie künftig die Südseite. Bis 2007 soll die gesamte Schloss-Außenhülle in ihrem jetzigen Bestand wiederhergestellt sein. Optimisten sehen vor dem geistigen Auge das zum Kriegsende zerstörte zweite Geschoss und die Optik des damaligen Daches in aller Schönheit prunken. Solche Vorausdenker finden im Verein "Stiftung OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE" Schloss Biesdorf e.V. zusammen. Sie werden nicht müde, Geldgeber für ihr anspruchsvolles Anliegen ausfindig zu machen. Mit Beharrlichkeit und Begeisterung haben sie das bislang auch geschafft, wenn auch in kleinen Schritten. Kontakt: 54 70 87 49, Dr. Peters, Vorstand der Stiftung.
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